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Etappe 9: Zufallhütte - Cogolo

Ortler Alpen: Zufallhütte (2264m) -> Sattel unterhalb des Cevedale (3570m) -> Malga Mare (2000m) -> Zufuß nach Cogolo (1160m)

Gehzeit: 6,5 h Hoehenprofil
Mittagspause: 0,5 h
Höhenmeter im Aufstieg: 1300 m
Höhenmeter als Skiabfahrt: 1550 m
Download GPS-Daten: gps-data
Download kml-Datei: kml-file
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Wir rumpeln früh raus (6:00), denken alle sind schon weg, derweil sind wir mit die ersten. Das ist ok. Zeit fürs Frühstück, aber keiner von uns kommt auf die Idee noch mal sauber den bevorstehenden Tag abzuchecken, so wie wir es eigentlich jede Etappe vorher gemacht hatten.
Wir klatschen unsere Felle auf die Ski und rumpeln aus der Hütte raus. Komisch der Schnee der knirscht so und die Nasenhaare frieren beim Einatmen. Oh Mann, es ist schweinekalt. Darüber kann uns der Hüttenhund der scheinbar gemütlich ruhend auf der Treppe liegt nicht hinwegtäuschen. Apropos Täuschen. Es ist blauer Himmel, wir erwarten jeden Moment die gleißende Sonne wie sie über das Joch bricht. Nur der Cevedale-Gipfel hat eine zerfetzte Gipfelwolke, das es selbst dem sturm- und winderprobten Paul und mir (siehe erste Etappe) die Falten auf die Stirn wirft.
Ok, erstmal losgehen, bis zur etwa 300HM höher gelegenen Martellhütte. Dort entscheiden wir wie’s weitergeht. Doch bis dort brauchen wir im Schlussanstieg schon die Harscheisen. Hunderte von Skitourengehern haben hier die Spuren poliert. Innerlich fühle ich mich wie mit dem Auto auf dem Brennerpass. Dort hat’s mir auch noch nie gefallen und angehalten habe ich dort auch nur zum Pinkeln oder Kaffeetrinken.
So sind wir also schnell weiter. Mittlerweile kommt zur Kälte auch ein strammer Wind hinzu. Seit Beginn laufen wir alle mit Wärmepads in den Handschuhen. Diese kleinen Dinger, etwas größer wie ein Teebeutel, nach Aufreißen der Plastikverpackung ca. 5 Stunden Wärme liefernd sind heute unsere wirklich letzte Rettung. Immer wieder die Finger aus den Handschuhen raus und auf das Pad. Dann weiter, Skibrille und Kapuze kontrollierend.
Schnell ist klar, dass wir den Gipfel heute nicht überschreiten werden – die Gipfelwolke fetzt mit bestimmt 100km/h dahin.
Kurz oberhalb der Marteller Hütte wagen wir einen viel zu kurzen Blick auf die Karte, legen fest , dass wir über das östliche Gletscherjoch der Cima de Cevedale (Zufallspitze) ziehen werden und dann direkt nach Osten zur Larcher-Hütte Richtung Malga Mare/Cogolo abfahren werden.

Der Gletscher ist schön geschlossen. Wir halten uns ganz links (S) und steigen ohne Seil bergan. Jede 50HM nimmt der Sturm zu – und das bei bester Sonne, eigentlich eine Farce. Wir stemmen uns gegen den Wind, mittlerweile zum Schutz vor der Kälte die Fellsackerl zusätzlich über die Handschuhe gestülpt. Auf 3400m wird es für Julia und Réka unerträglich. Wir würgen noch ein paar Meter weiter, aber vor dem eigentlichen Schlussanstieg kommt das auf uns zu, was wir nie geglaubt haben.
Unser Team wird sich trennen.
Undenkbar – für mich. Eine Gruppe am Berg zu trennen. Die einen die weitergehen und die anderen den Abstieg vor sich. Ich habe gar nicht damit gerechnet. Plötzlich kommt Réka mit dem Vorschlag, den Julia unterstützt. Paul und ich sollen weitergehen und die beiden Mädels werden wegen der brutalen Kälte zur Martellhütte abfahren.
Wir haben harte 3min vor uns. Hin- und hergerissen, Scheißkälte, „Eis in Riva“, brutaler Wind, alle nach Süden, wie nur zu zweit weiter? kalte Finger, welche Ausrüstung ist in welchem Rucksack.
Ok, gute Sicht bis zur Martellhütte, andere Gruppen unter und über uns. Das Risiko, Julia und Réka allein zurückzu“schicken“ könnte vertretbar sein. Paul und ich müssen uns flott entscheiden. Keiner echten Alternative vor Augen stimmen wir zu.
Wir helfen kurz mit, und schon sind wir allein unterwegs nach oben.

Paul geht voraus, weil er schon friert. Ich kämpfe brutalst mit meinen dicken Fäustlingen, ohne die es jetzt nicht mehr geht. Das Innenfutter ist umgestülpt. Das kann doch nicht so schwer sein, dies jetzt und hier sauber umzustülpen, es ist leicht feucht. Ich muss ganz raus aus den Handschuhen – das Wärmepad zwischen den Zähnen, mal links mal rechts auf die saukalten Finger verteilend. Schließlich stecke ich zwei Finger in eine Ecke des Drei-Finger-Fäuslings und hechele Paul hinterher. Der Hang schwingt auf. Plötzlich trifft uns beide wie unverhofft die Anstrengung der Höhe. Wir waren fest davon überzeugt, dass wir gut akklimatisiert und trainiert sind.
Aber ohne die Mädels fehlt uns scheinbar ein Teil der Power!

Auf dem Joch angekommen haben wir nur bedingte Sicht. Eigentlich wollten wir nach rechts (W) um auf den ursprünglichen Weg vom Gipfelabstieg zu gelangen. Nach kurzem, glücklichem Wolkenaufreissen sehen wir, dass uns dort nur fette Spalten begrüßen würden. Wir entscheiden uns für den direkten Ostabstieg. Fahren ganz am Rand des Gletschers. Die Sicht wird immer besser, der Wind aber nicht viel weniger. Wir kommen tiefer, sehen die Hütte Larcher unter uns und schöpfen Hoffnung auf Wärme. Aber weit gefehlt. Bis runter zur Zwischenstation der Materialseilbahn bläst ein gewaltiger Fallwind, dem wir nicht entkommen können. Wir frieren uns wirklich den Arsch ab.
Erst kurz oberhalb der Malga Mare im Wald wird es etwas besser. Zwischen den Latschen und Kiefern fängt sich der Wind – ja es richt sogar ein bisschen nach Kiefernharz. Wir rutschen ein Stück runter, tragen ein wenig und lassen es schließlich bis zur Malga am E-Werk laufen.
Dort vertilgen wir erstmal ne saubere Brotzeit und machen uns dann auf den harten Fußweg gen Cogolo.
Wir hoffen ständig auf ein Auto von oben, habe dies aber nach ca. 7-8km Fußmarsch eigentlich aufgegeben, als plötzlich ein Fiat Panda hinter uns anbraust und hält. Wild deutelnd will uns der Fahrer klar machen dass er uns mitnehmen will. Ungläubig schaue ich die Ausmaße von Paul, unseren Skiern und unserer Rucksäcke an. Das kann nicht reinpassen. Dann aber sehen wir die zwei Skiträger am Dach – da packen wir also unser schweren aber treuen Begleiter hin, zwängen uns und unsere Rucksäcke ins Innere und versuchen dem Fahrer unsere Freude mitzuteilen.
Am Schluss im Ort Cogolo bleibt Paul nix anderes übrig, aufgrund mangelnder Italienischkenntnisse 10 Euro zu zücken und uns somit beim netten Panda-Fahrer zu bedanken.
Wir gehen in die erste Kneipe, trinken ne große Cola und einen Kaffee. Schauen auch schon mal die Tagesbilder durch – ja die letzten Bilder vom 4-er Team – irgendwie schon ein komisches Gefühl ohne unsere Mädels. Ist das also Scheitern am Berg, so zwischendrin und doch irgendwie die Motivation hochhalten – da geht’s rauf und runter im Bauch – ich sag es euch.
Dann wieder klar und logisch denken. Der Beschluss heute nicht mehr bis nach Tonale rauszugurken ist schnell gefasst, im speziellen als wir entdeckt hatten, dass morgens von Cogolo ein Skibus nach Tonale hochfährt.
Paul macht auch umgehend ein für uns passendes Hotel klar. Wir packen alles aus, und innerhalb von Minuten stinkt unser Hotelzimmer wie der Raubtierwagen vom Circus-Roncalli. Wir waschen ein paar Klamotten und uns (oder in anderer Reihenfolge), schmeißen ein paar unrettbare Socken weg und müssen so erstmal shoppen zu gehen.
Wir tingeln nach Downtown, gehen zu Tante Emma und kaufen Socken. Kaum draußen, stehen wir im Spar-Laden und kaufen dort Batterien fürs GPS, Schokolade für uns und ich lass uns noch zwei Vinschgerl mit einpacken (was Paul nicht verstehen kann, denn wir gehen ja heut Abend erst noch essen und morgen zum Frühstück gibt’s doch auch was...).
Zum Aperitivo gehen wir in die Ankunfts-Kneipe. Dort treffen wir unseren Chauffeur, bereits etwas angeheitert – die 10 Euro sind wohl schon weg. Wir zischen unser Bier und schon sind wir im Finger-Hände-Arme-Deutel-Gespräch mit einem alten Italiener, der uns sehr intensiv aus seiner russischen Gefangenschaft aus dem 2.WK berichtet. Trotz allem was er erlebt hat ist die Begegnung herzlich, wenn auch angeheitert.
Wir fallen zweimal um und sind in „unserer“ Pizzeria. Der wievielte Teller Pasta ist dies eigentlich auf dieser Tour? Es stellt sich die Frage, ob all die Spaghetti, die wir gegessen haben, wenn man sie ausgestreckt hintereinander legen würden, länger oder kürzer als die von uns zurückgelegte Strecke wären? Wir befürchten die Frage bleibt unbeantwortet.
Perfekt gestärkt kommen wir zurück in unser Hotelzimmer. Dort vertreiben wir die 23 Löwen und Leoparden von Roncalli indem wir erstmal Fenster und Balkontüre aufreißen.
Wir schlafen tief und erschöpft, und oh Wunder, trotz nur gekippten Fensters wachen wir morgens wieder auf.

Autor: Wolfgang Leistner weiter zur nächsten Etappe >>


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Etappe 1: Eschenlohe - Garmisch
Etappe 2: Garmisch - Kühtai
Etappe 3: Kühtai - Winne- bachseehütte
Etappe 4: Winnebach- seehütte - Sölden
Etappe 5: Sölden - Vernagt-Hütte
Etappe 6: Vernagt-Hütte - Hochjoch Hospiz
Etappe 7: Hochjoch Hospiz - Similaunhütte
Etappe 8: Similaunhütte - Zufallhütte
Etappe 9: Zufallhütte - Cogolo
Etappe 10: Cogolo - Breguzzo
Etappe 11: Breguzzo - Garda