Sonne! Toller Neuschnee, ein bisschen Wind und ein paar kleine Wolken. So werden wir heute Morgen begrüßt. Dazu ein tolles Frühstück und letzte Vorbereitungen. Nachdem „Orlando“ nicht mitkommen will, ziehen Julia und wir ohne ihn los, erstmal die Ski 100m nach Westen tragend, um in eine mit ausreichend Schnee ausgestatteten Rinne runter zu Bach und Brücke zu kommen.
Der Gegenanstieg ist ein heikel verblasener Hang, schwer einschätzbar. Trotz unserer Fotolaune achten wir auf deutliche Abstände und äußerst vernünftige Spuranlage.
Im relativ flach dahin gehenden Tal kommen uns die ersten von der Similaunhütte entgegen. Im Hintergrund sehen wir Skigebiet und die „Schöne Aussicht“-Hütte. Wir ziehen allerdings direkt Richtung Süden schwer den Hang hinauf. Und was für ein Hang dies ist. Keine 30 Grad steil und 25cm Silberpulver drin liegend. Wir steigen hoch, checken kurz die Wetterentwicklung und entscheiden uns für „einmal richtig powdern“. Schmeißen die schweren Rucksäcke hin, nur mit Pic-Maschine bewaffnet und brettern den Hang runter das es nur so feierlich ist. Raufzu fliegen wir, ganz ohne Rückenlast.
Kurz drauf dürfen wir alle an die Hundekette –am Seil gemeinsam über den Gletscher. Es dauert seine Zeit bis sich das Tempo eingeschliffen hat, aber dann geht es dahin. Mittlerweile zieht es wieder schnell mit Wolken zu. Rapido mit dem Kompass noch das Joch anvisiert und dann geht es fast schon ohne Sicht bis zum höchsten Punkt. Dort kommen wir schon wieder verfroren an, Julia verliert auch noch kurz nach dem Jochüberstieg das Fell. Seil hin und her, und wo geht es eigentlich hin? Paul friert, Julia hat keine Felle mehr auf den Skin und wir steigen ab – toll wie das so funktioniert. Dahinten zwischen den Nebelschwaden ist ein großer Steinmann. Nix wie hin. Alle dort. Nur ist dies ein Riesendenkmal für den Ötzi. Dies hilft uns momentan nix, speziell weil wir erheblich mehr links (O) müssen. Paul sucht und findet und wir folgen. Paul, Réka und ich mit Fellen an den Skiern und Julia so hinterher. Am untersten Punkt angekommen, auf eine Aufstiegsspur gestoßen versuchen wir Julias Felle aufzuziehen. Kohla sollte wirklich auf Gartenstühle umsteigen. Wir sind erheblich entnervt. Es gibt nicht viele Dinge die so ungut sind, wie Ausrüstung die in schwierigen Situationen nicht funktioniert.
Uns bleibt nichts anderes übrig. Fellkleber pappt nur, wenn er warm ist. Also Paul und ich die Jacken auf und die Felle um den Bauch gewickelt – brrrrr, saukalt. Wir schenken den letzten warmen Tee ein, wissend dass wir mindestens 10min warten müssen, bis die Felle einigermaßen warm sind. Wir frieren alle.
Nach ca. 10min schnell die Felle raus, Jacke zu und gemeinsames Einmassieren des Fells auf den Skibelag. Sieht nicht schlecht aus – ja man freut sich bereits über kleine Dinge...
Jetzt machen wir noch einen Positiv-Fehler, da wir schon länger nicht mehr auf die Karte gesehen haben. Mental steht nämlich die Similaunhütte für uns auf 3300m. Wir stellen uns also auf noch eine gute Stunde Aufstieg bei mäßigem Wetter ein. Und dann plötzlich die große Überraschung als rechts vor uns die Hütte auftaucht (3000m). Ja es macht sogar noch etwas weiter auf und wir sehen einiger Bergsteiger vom Simliaun abfahren und absteigen (Schneeschuhgeher). Das tut gut!
Die Similiaunhütte liegt wundergigantisch an einem Joch zwischen AUT und ITA, ist relativ neu von der Gestaltung und verdient größtes Lob aber auch viel Geld...
Der Vorraum ist geheizt. Unsere Ski wissen gar nicht was los ist, denn sie müssen über Nacht nicht frieren. Duschen gibt es auch und wer im österreichischen Funknetz telefonieren will geht in die Herrentoilette (NO-Seite) und wer lieber den Italienern die Roaminggebühren in den Rachen stopft wählt den allgemeinen Aufenthaltsraum auf der SW-Seite. Markus der Hüttenwirt und seine Frau (die bestimmt auch Susi heißt – wir haben aber vergessen zu fragen) sind sehr umsorgend, um die Bergsteiger auf ihrer Hütte. Das Essen ist gut, aber es gibt wohl einen Grund warum auf der Tageskarte keine Preise stehen. Was soll’s wir wollen nicht meckern. Der Vater von Markus und er selbst beraten uns perfekt, was unser Vorhaben angeht den Similaun zu überschreiten und auf der Ostseite abzufahren in Richtung Mitter-/Vorderkaser.
Auf die Frage wie die Verhältnisse wären kommt eigentlich nur sehr knapp: „Tjo, nach Osten obi, joo des müsst scho geh’, letzte Woch isch a Bergführerkurs durch...“. Ich sehe die sehr nüchternen Gesichter von Réka und Julia, wie sie versuchen mir zu sagen: „Sepp bleib da, Du woast ja ned wia’s Weda werd...“. Aber genau das ist es ja! Für morgen ist stahlblauer Himmel angesagt. Auch wenn dies abends bei dem starken Wind und den Nebelschwaden vor der Hütte keiner glauben will.
Wir vertreiben uns abends noch die Zeit mit Kartenstudium und –spielen, versuchend dabei irgendwie die viel zu lauten „Summit-Club-Schneeschuhgehertruppe“ am Nachbartisch zu ignorieren. Sie vermitteln uns wirklich den Eindruck, als wenn in diesen Summitclub-Gruppen all die Leute landen, mit denen sonst niemand mehr in die Berge gehen will. Bergführer ist ein harter Job, ist unsere einstimmige Meinung.
Mit der Erleichterung dass wir bloß unsere lächerlich leichten Rucksäcke über den Similaun schleppen werden, dies bei blauen Himmel, toller Laune und in einer Gruppe die sich so erstmal finden muss, gehen wir ins Bett und träumen vom Ötzi, von Kaiserschmarrn und vom Wetter-Sepp.
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